Zecken auf dem Vormarsch - Wie gefährlich sind Zecken in Deutschland wirklich?
Forschungsprojekt zu Vorkommen, Vektorkompetenz und Erregerspektrum von Zecken geht in die zweite Runde.
Durch Klimaerwärmung und Globalisierung breiten sich in Deutschland sowohl Zecken als auch durch Zecken übertragbare Krankheitserreger aus. Das institutionenübergreifende Forschungsprojekt „E.ZE.SA: Erregerspektrum von Zecken in Sachsen-Anhalt“ sammelt und analysiert seit 2019 Daten von Zeckenfunden Angestellter der landeseigenen Forstbetriebe. Die zweite Projektphase soll nun auch untersuchen, ob und welche Erreger durch Zecken nachweislich übertragen wurden.
Steigende Temperaturen und veränderte Niederschläge, aber auch der globale Reise- und Warenverkehr fördern die Ausbreitung sowohl heimischer als auch exotischer Zeckenarten in Deutschland: In den vergangenen Jahren ließen sich beispielsweise verstärkt der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus), weitere Ixodes-Arten, Auwaldzecken (Dermacentor reticulatus) und seit einiger Zeit auch die vorwiegend über Zugvögel eingeschleppte Hyalomma-Zecke nachweisen. Einige dieser Arten können zusätzlich zu den bekannten FSME-Viren (Frühsommer-Meningoenzephalitis-Viren) und Borrelien weitere Erreger übertragen, die Krankheiten wie Rickettsiose, Tularämie, Q-Fieber, Anaplasmose und Babesiose beim Menschen verursachen. Wie häufig es zur Übertragung solcher Erreger kommt, ist bisher kaum untersucht.
Das Forschungsprojekt zielt deshalb darauf, das Expositions- und Infektionsrisiko in Deutschland besser abzuschätzen. Außerdem will es die Prävention von durch Zecken übertragenen Krankheiten verbessern.
Das Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg fungiert als primäre Anlaufstelle für die Einsendungen. „Es ist wirklich erstaunlich, wie viele Zecken wir teilweise von einzelnen Personen bekommen. Durch die exzellente Zusammenarbeit mit den Forstbetrieben ist das Projekt eine große Chance,“ sagt Prof. Dr. Gernot Geginat, stellvertretender Direktor des Instituts, der die Sammlung der Zecken koordiniert.
In der ersten Projektphase untersuchten die Forschenden Zecken, die Forstmitarbeitende in Sachsen-Anhalt freiwillig vom Körper abgesammelt hatten. Diese setzen sich bei ihrer Arbeit einem deutlich höheren Risiko aus, von Zecken gestochen zu werden und haben dadurch auch ein entsprechend erhöhtes Infektionsrisiko. Vorläufiges Ergebnis: Zwischen Juli 2019 und April 2020 wurden vorwiegend zwei Zeckenarten gefunden, nämlich Auwaldzecken und der Gemeine Holzbock. In den Zeckenproben ließen sich Rickettsien und bisher unbekannte Viren nachweisen, nicht aber Borrelien oder FSME-Viren.
„Dies könnten allerdings auch Zufalls- oder Ausreißer-Effekte sein“, sagt Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit, Leiter der Abteilung für Arbovirologie und Entomologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), an dem die Zeckenspezies identifiziert und molekularbiologisch untersucht wurden. „Um Trendkurven und regionale Verbreitungsschwerpunkte zu erfassen, sind Langzeitdaten über drei bis fünf Jahre erforderlich. Sie helfen, diese Effekte ausfindig zu machen und zu eliminieren.“
Im Rahmen der zweiten Projektphase wollen die Forschenden deshalb bis Ende 2024 gesammelte Zecken untersuchen. Außerdem wollen sie ermitteln, welche Erreger wie häufig nachweislich durch Zecken auf Forstpersonal übertragen wurden. Dazu planen sie, ebenfalls auf freiwilliger Basis Blutproben von Forstmitarbeitenden zu nehmen und auf die entsprechenden Krankheitserreger zu untersuchen.
„Am Ende der zweiten Projektphase hoffen wir, belastbare wissenschaftliche Evidenz generiert zu haben, die als Fundament für künftige Risikoabschätzungen hinsichtlich zeckenübertragbarer Zoonosen dienen könnte“, sagt Prof. Dr. Antonios Katsounas, Leiter des E.Ze.SA-Projektes an der Universitätsmedizin Magdeburg und Leiter der Sektion Klinische Infektiologie und Internistische Intensivmedizin am Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum; Ruhr-Universität-Bochum.
Sachsen-Anhalts Wissenschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann betont: „Die Forschungsförderung des Landes ist ein wichtiger Baustein unserer Wissenschaftspolitik. Mithilfe der Unterstützung können kluge Köpfe an heimischen Universitäten und Hochschulen zu relevanten Themen neues Wissen schaffen, das die Gesellschaft weiterbringt. Dies gilt auch für das Projekt des Universitätsklinikums Magdeburg und weiterer Partner zu Auswirkungen von Klimaerwärmung und Globalisierung auf das Risiko für Zeckenstiche und eine folgende Infektion.“
An E.ZE.SA sind die Universitätsmedizin Magdeburg, das BNITM und die Ruhr-Universität-Bochum beteiligt. Das Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klima und Umwelt Sachsen-Anhalt fördert das Vorhaben in den kommenden zwei Jahren mit knapp 146.000 Euro.